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Freiheitskampf oder wilde Handlung?

Zum Bauernkriegsjubiläum diskutierte das Kolleg im Januar 2025 mit Gerd Schwerhoff und Lyndal Roper

Im Jahr 1525 erhoben sich die Bauern in vielen Regionen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gegen die Obrigkeit. Aus Anlass des 500. Jubiläums des Bauernkriegs veranstaltete das Käte Hamburger Kolleg im Januar 2025 eine öffentliche Diskussion und eine Masterclass.

Gerd Schwerhoff, Senior Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Dresden und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des Käte Hamburger Kollegs, hat im vergangenen Jahr gleich zwei Bücher zum Thema vorgelegt, namentlich eine beeindruckende Gesamtdarstellung mit dem Titel „Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung“ (C.H.Beck) und den Band „Auf dem Weg zum Bauernkrieg. Unruhen und Revolten am Beginn des 16. Jahrhunderts“ (UVK). Grund genug, um ihn zu einem öffentlichen Gespräch mit EViR-Direktorin Ulrike Ludwig über die wichtigsten Akteure, Motive und den Verlauf des Bauernkriegs einzuladen.

Im Gespräch mit Ulrike Ludwig berichtete Gerd Schwerhoff über Akteure, Motive und Verlauf des Bauernkriegs. © KHK EViR

Gefragt nach seiner persönlichen Faszination für das Thema, verwies Schwerhoff eingangs auf sein Unbehagen am Forschungsstand. Die Ereignisse der damaligen Zeit seien spätestens seit den 1970er Jahren unter einem Wust an Deutungen begraben worden. Statt eine „Revolution des Gemeinen Mannes“ (Peter Blickle) oder eine „frühbürgerliche Revolution“ (DDR-Geschichtsforschung) auszurufen, wolle er lieber beschreiben, was tatsächlich passiert sei und wie die Zeitgenossen selbst die Ereignisse wahrgenommen haben.

Als Grundlagen der bäuerlichen Erhebung machte Schwerhoff strukturelle Konflikte in der ländlichen Gesellschaft um 1500 sowie die Reformation aus. Die Verpflichtung der Bauern, Frondienste und monetäre Abgaben an ihre Grundherren zu leisten, sei eine stete Quelle der Unzufriedenheit gewesen. Auch die Leibeigenschaft wurde im zentralen Forderungskatalog der Erhebung, den sogenannten Zwölf Artikeln, emphatisch abgelehnt – und das, obwohl sie in manchen Regionen gar keine Rolle mehr spielte. Daneben habe die schon von Martin Luther skandalisierte weltliche Herrschaft des Klerus zu einem regelrechten Antiklerikalismus geführt, den Schwerhoff als „Leitideologie der aufständischen Bauern“ bezeichnete.

Im Gegensatz zu Luther machten die Bauern allerdings ernst und lehnten sich auch mit Waffengewalt gegen ihre Herren auf. Dass sie dabei lediglich mit Heugabeln und Dreschflegel bewaffnet gewesen wären, ist Schwerhoff zufolge übrigens ein Klischee. Aufgrund der Landfolge, also der Pflicht im Kriegsfall das Land zu verteidigen, seien die Bauern gut ausgerüstet gewesen, lediglich an Artillerie und Pferden habe es gefehlt. Sich dieses Mangels durchaus bewusst, hätten sie die offene Schlacht gegen die bald zum Gegenangriff übergehenden Fürsten eher zu vermeiden versucht. Auch bei Überfällen sei die Gewalt gegen Menschen wesentlich geringer ausgeprägt gewesen als materielle Zerstörungen und symbolische Handlungen wie das Plündern klösterlicher Vorratskeller. Bei den zeitgenössischen Darstellungen der Klosterstürme könne man den Eindruck gewinnen, „dass die Bauern in Blut gewatet seien“, so der Historiker, „dabei sind sie eigentlich durch Weinlachen gewatet“.

Der Gewaltaspekt sowie der Umstand, dass der Bauernkrieg kein klares Zentrum hatte, rechtfertige es, ihn als „wilde Handlung“ zu beschreiben. Dennoch sei es erstaunlich, wie schnell sich Neuigkeiten durch Flugschriften und mündliche Kommunikation zwischen den einzelnen Aufstandsregionen wie Schwaben, Tirol oder Thüringen verbreiteten. Zugleich seien die fehlende überregionale Koordination, aber auch die Zwietracht innerhalb der Bauernhaufen Gründe für das letztliche Scheitern des Aufstands.

Informativ und unterhaltsam schlug Schwerhoff im Gespräch mit Ludwig Schneisen durch das Dickicht des komplexen Geschehens und verstand es, die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer über eineinhalb Stunden zu fesseln. Auch viele Nachfragen, etwa nach den langfristigen Folgen der Erhebung oder Gründen für ihr Ausbleiben in Westfalen, sowie der ein oder andere Wunsch nach einer Buchsignatur, verdeutlichten die große Resonanz beim Publikum.

Stärker auf die innerwissenschaftliche Diskussion zielte die am Folgetag vom Käte Hamburger Kolleg gemeinsam mit dem SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens“ und dem Profilbereich „Geschichte der Vormoderne“ der Universität Bielefeld ausgerichtete Masterclass zum Bauernkrieg. Neben Gerd Schwerhoff war als zweiter Hauptgast die Historikerin Lyndal Roper von der Universität Oxford geladen, die ebenfalls kürzlich eine vielbeachtete Gesamtdarstellung vorgelegt hat („Für die Freiheit. Der Bauernkrieg 1525“, S. Fischer).

Veranstalteten die Masterclass: Antje Flüchter (Universität Bielefeld), Gerd Schwerhoff (TU Dresden), Lyndal Roper (University of Oxford) und Ulrike Ludwig (Universität Münster/EViR) © KHK EViR

Die erste Runde der von Ulrike Ludwig und Antje Flüchter (Bielefeld) geleiteten Diskussion fragte nach dem Verhältnis von chronologischen und systematischen Darstellungen historischer Ereignisse. Jan Siegemund (Bielefeld) verwies in seinem Kommentar auf den Nutzen ereignisgeschichtlicher Darstellungen, da sie Basiswissen für weitere Forschung produzierten und zugleich in der Lage seien, ideengeschichtliche Deutungen zu dekonstruieren. Nikolas Funke (Münster) gab zu bedenken, dass sich insbesondere konflikthafte Ereignisse in den Archiven niedergeschlagen hätten und daher stärker im Fokus der Geschichtsschreibung stünden als die friedliche Praxis. Schwerhoff verteidigte seinen Ansatz, vom Ereignis auszugehen, denn erst dessen gründliches Durchdenken ermögliche systematische Erkenntnisse. Roper, die das Freiheitsstreben der Bauern in den Fokus ihres Buches rückt, gab zu bedenken, dass auch rein chronologische Darstellungen immer Interpretationen seien. Dass der Bauernkrieg revolutionäres Potenzial gehabt habe, machte sie daran fest, dass man ihn als Moment charakterisieren könne, in dem Selbstverständliches infrage gestellt und die Wandelbarkeit der existierenden Ordnung vor Augen geführt wurde.

Lyndal Roper wies auf das revolutionäre Potenzial des Bauernkriegs hin. © KHK EViR

In der zweiten Runde diskutierten die Teilnehmenden die Frage, ob der Bauernkrieg ein typisch frühneuzeitliches Phänomen war. Tilman Haug (Münster) wollte die Erhebung eher in die Umbruchsphase um 1500 eingeordnet wissen. Viele Aspekte wie der Antiklerikalismus, der Judenhass oder ländliche Rebellionen stammten bereits aus dem Spätmittelalter; für spätere Untertanenkonflikte sei der Bauernkrieg hingegen keine Blaupause gewesen. Malte Wittmaack (Bielefeld) sah demgegenüber durchaus typisch frühneuzeitliche Konfigurationen wie den Freiheitsbegriff der Bauern, die Reformation als Initialzündung und den Buchdruck als Verbreitungsmechanismus am Werk. Benjamin Seebröker (Münster) wies darauf hin, dass sich mit Blick auf die Wucht der Massenbewegung und die regionale Ausweitung kaum vergleichbare Ereignisse in der Frühen Neuzeit finden ließen. Zugleich hielt er Aspekte wie die Gleichzeitigkeit von gewalttätigem und rechtlichem Konfliktaustrag sowie die Verknüpfung von religiösen und wirtschaftlichen Forderungen für durchaus epochentypisch.

Dieses Sowohl-als-Auch griff auch Roper in ihrer Replik auf und äußerte Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Ausgangsfrage. Der Hass auf das Mönchtum und die weitreichenden Ziele der Bauern seien allemal präzedenzlos gewesen. Auf eine abschließende Deutung des Bauernkriegs konnten und wollten sich auch die Teilnehmenden der Masterclass nicht einigen. Jedoch stimmten sie mit Roper darin überein, dass das Ereignis mit Blick auf die Ideen, Diskurse und Gesellschaftsentwürfe derart einschneidend war, dass „die Welt danach eine andere war als zuvor“.

Lennart Pieper

Die Teilnehmenden der Masterclass. © KHK EViR


Aufzeichnung der Diskussion mit Gerd Schwerhoff (YouTube)
https://youtu.be/2yi74F8a87M


Zitieren als:

Lennart Pieper: „Freiheitskampf oder wilde Handlung? Zum Bauernkriegsjubiläum diskutierte das Kolleg im Januar 2025 mit Gerd Schwerhoff und Lyndal Roper“. EViR Blog, 18.08.2025, https://www.evir.uni-muenster.blog/bauernkrieg/.

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